Angst im Dunkeln? Herzlich Willkommen zum Nightwalk

So ihr Lieben, endlich, endlich, endlich finde ich Zeit, euch von der 3. Etappe meines Mega-Marsches zu berichten. Es gab hier schon einige von euch, die ihrem Ärger in Form von Kommentaren Luft gemacht haben, dass hier nichts mehr passiert ist. Und ganz ehrlich: Ich kann das sehr gut verstehen. Mir ginge das nicht anders. Ich versuche in den Kommentaren, die teilweise sehr bissig formuliert waren und auch unter die Gürtellinie gingen, dennoch etwas Gutes zu sehen. Denn letztlich bedeutet es ja, dass das bisher Gelesene gefallen hat und das freut mich persönlich natürlich sehr! Jetzt werdet ihr euch fragen, warum das denn nun sooooo lange gedauert hat.

 

Ich hatte den Blogartikel relativ zeitnah zu dreiviertel fertig, als es in meinem ganz nahen familiären Umfeld ein paar einschneidende Ereignisse gab, die meiner volle Aufmerksamkeit bedurften. So gerne ich diesen Blog hier schreibe, mit viel Spaß und Herzblut. Es gibt manchmal Dinge im echten Leben, die dann in dem Moment wichtiger sind. Aufmerksame Blogleser wissen, dass es meinem Papa in den letzten Wochen nicht so gut ging. Er brauchte mich und das war in diesem Moment wichtiger als alles andere, daher prallen beleidigende Kommentare (ohne zu hinterfragen, was denn der Grund für meine „Abwesenheit” ist) auch an mir ab, da ich weiß, dass es in dem Moment die einzig richtige und gute Entscheidung war, für meinen Vater und meine Familie da zu sein. Und wer meinte, mit provokanten Äußerungen etwas daran ändern zu können, den muss ich eines Besseren belehren. Ich weiß, welche Werte (mir) im Leben wichtig sind. Klar, ich hätte den Artikel mit ein bis zwei Sätzen abschließen können und ihn lieblos online stellen können. Aber dafür ist mir das Ganze hier zu wichtig, auch wenn man mir hier „einseitiges Interesse” vorgeworfen hat. Was auch immer damit gemeint ist. Wenn ich etwas mache, dann soll das auch Hand und Fuß haben und den Lesern nicht lieblos vor die Füße geworfen werden. Das ist mein Anspruch. Auch wenn es natürlich überhaupt nicht in meinem Sinne war, euch nun sooooooo lange warten zu lassen. Aber aus besagten Gründen ging es einfach nicht anders. Ich weiß, dass meine treuen Leser das verstehen und diejenigen, die dafür kein Verständnis haben, können an dieser Stelle aufhören zu lesen und die Seite verlassen.

 

Okay, du liest weiter. Dann gehe ich einmal davon aus, dass du jetzt endlich wissen willst, wie es weitergeht. Nun gut, ich möchte dich nicht weiter auf die Folter spannen. Noch einmal zur Erinnerung: Zuletzt befanden wir uns auf den letzten Metern der zweiten Etappe "Gnadenlos". Diese hatte uns aufgrund der Tatsache, dass sie 3 Kilometer länger war als angenommen, der Unwegsamkeiten auf den letzten 2-3 Kilometern und - das wog am schwersten - wir bereits wussten, dass wir uns dem dritten Anschnitt definitiv nur noch zu dritt stellen werden. Mischas Schmerzen in den Hüften waren mittlerweile so stark, dass jeder seiner Schritte zur regelrechten Qual wurde. Für ihn selbst, der die Schmerzen ertragen musste, aber auch für uns, seine Weggefährten, die sahen, wie er sich quälen musste, tat jeder Schritt mit weh. Wir liefen zusammen, wir lachten zusammen und wir litten zusammen. So ist das bei so einem Marsch - das verbindet!

Noch bevor wir die zweite Versorgungsstation endlich erreichten, wurden wir eingeholt...nicht etwa von anderen Wanderern oder den Johannitern, die immer ein Indiz für eine Versorgungsstation waren...nein, die Dunkelheit war es, die uns auf den letzten Metern bis zur Station einholte. Als wir dort ankamen war es stockfinster. Soweit ich das erkennen konnte, handelte es sich erneut um eine Sportanlage mit einem festen Gebäude, dessen sanitäre Anlagen besser frequentiert war als der Wurststand. Dominierten an der ersten Station noch Bier, Buletten und beste Laune das Geschehen, zeigte sich an der zweiten VS ein deutlich anderes Bild: Man blickte in viele erschöpfte Gesichter, Blasenpflaster wohin man sah, Füße die gesalbt, geölt und ja, sogar massiert wurden. Auch mich hatte es erwischt, drei bis vier Kilometer vor erreichen der Station, bat ich die Jungs, kurz einmal anzuhalten, weil ich einen kleinen Stein im Schuh spürte. Jedoch war es kein kleines Steinchen, was das Scheuern unter der Fußsohle des rechten Fußes verursachte, sondern meine erste Blase. Und ich verspreche euch, es war nicht die letzte, die meinen Fuß "zieren" sollte...

 

Nun an der Station freute ich mich einen Sitzplatz ergattert zu haben. Das sollte sich spätestens beim Aufstehen bzw. beim Versuch aufzustehen wieder ändern. Wie gesagt, sitzen in den Pausen, war Segen und Fluch zugleich. Ich würde sogar wetten, dass es Mitstreiter gab, die vorm Hinsetzen felsenfest davon überzeugt waren, zur nächsten Etappe anzutreten, aber beim Versuch dann wieder aufzustehen und in die Gänge zu kommen, verkündeten, dass sie nun aufgeben werden und keinesfalls noch weitere 60(!) Kilometer wandern werden. Aber zurück zum Geschehen: Nun saß ich da und versorgte meine Füße mit Blasenpflaster und schmierte sie dann gründlich mit Vaseline ein (diese erwies sich im Nachhinein betrachtet, als einer der wertvollsten Passagiere meines Marsch-Rucksacks). Ich saß genau gegenüber des Ausganges des besagten festen Gebäudes mit den hoch frequentierten sanitären Anlagen. Ich weiß nicht wie viele, aber es waren viele, die mit einer Urkunde in der Hand, erschöpftem Lächeln und nicht ganz "rund" laufend aus der Tür kamen. Für Sie war die Reise hier zu Ende. Aber Verlierer gab es hier in meinen Augen nicht. Jeder, der es bis hierhin geschafft hat und ja, wer überhaupt den Mut und den Willen hatte ihr anzutreten, hatte in meinen Augen den allergrößten Respekt verdient.

 

Während Olli und Frank sich ihrer Curry-Wurst mit Pommes hingaben, hatte auch ich dieses Mal "Janker" auf etwas Herzhaftes. Mein Bedarf an Bananen und Müsliriegeln war - zumindest zu diesem Zeitpunkt - gedeckt. So entschied ich mich wagemutig für eine Portion Pommes ohne alles. Die Pommes waren echt okay, aber so richtig genießen konnte ich sie nicht, denn neben mir saß Mischa, der gerade mit seiner Liebsten telefonierte, um sie darüber zu informieren, dass er aufgeben musste und sich gleich auf den Heimweg machen würde...natürlich nicht zu Fuß, wie man sicher verstehen kann. Mit dem Ende der Pause rückte auch der Zeitpunkt des Abschieds von Mischa immer näher. Auch wenn es eine Entscheidung war, die uns allen weh tat - es war die richtige, lieber Mischa.

 

Als wir ihn an der nur wenige Meter von der Station entfernten S-Bahn-Station verabschiedeten, gaben wir ihm ein Versprechen. "Wir werden das Ding für dich mitrocken!" Und dann bot Mischa mir noch seine Handschuhe an. Treue Blogleser wissen, dass ich meine vergessen hatte. Angesichts der mittlerweile doch recht niedrigen Temperaturen nahm ich sein Angebot dankend an. Die Handschuhe sollten im weiteren Verlauf des Marsches in einer der folgenden Artikel noch eine tragische Rolle spielen. Aber dazu später mehr...

Der bevorstehende Abschied tat mir persönlich echt weh. Ein Teil von uns fehlte. Aber als wir Mischa die Treppen zur S-Bahn hinabsteigen sahen, war uns klar, dass dies die einzig richtige und vernünftige Entscheidung war. In Mischas Augen sah man neben der Enttäuschung, nicht mit uns weiterziehen zu können, aber auch etwas Erleichterung, dass die körperliche "Qual" nun ein Ende hatte. Olli, Frank und ich rüsteten uns für den Nightwalk. Es war eine sternklare Nacht. Wunderschön anzusehen, aber auch schweinekalt! Aber ich will mich nicht beschweren, denn klamottentechnisch hatte ich glaube ich genau die richtige Wahl getroffen. Mischas Handschuhe sorgten für die ideale Ergänzung meiner Ausrüstung. Und irgendwie war es auch ein schöner Gedanke, noch etwas von ihm weiter mit auf dieses Abenteuer zu nehmen. Schon nach wenigen Metern durch die Dunkelheit verspürte ich Lust auf eine Fritz Kola in netter Gesellschaft. Fritz Kola gestaltete sich schwierig, aber für nette Gesellschaft sorgten meine beiden Weggefährten Olli & Frank. Irgendwie schweißte uns Mischas Ausscheiden nur noch mehr zusammen. Wir wollten es packen - für ihn - für uns - und ich zudem für mein Projekt!

 

Die zweite Service-Station erwies sich als wahrer Zeitfresser. Und das liebe Leser ist ein Punkt, der schwer zu vermitteln ist, aber man verliert bei so einem Marsch tatsächlich sein Gefühl für Raum und Zeit. Das sollte sich auf den noch folgenden Kilometern noch als fieser Weggefährte erweisen. Auf jeden Fall, haben wir an der Station tatsächlich etwas viel Zeit vertrödelt. Wir fingen an, die Zeiten etwas hochzurechnen. Dabei wurde uns bewusst, wie viele Stunden wir da eigentlich noch vor uns hatten. An dieser Stelle ein Tipp, an alle, die sich dieser Herausforderung trotz meines Blogs (kleiner Scherz) noch stellen wollen: Macht euch NICHT andauernd bewusst, wie viele Stunden ihr noch unterwegs sein werdet, das macht einen mürbe mit der Zeit. Ich habe mir immer vor Augen geführt, wie viel Strecke wir schon GESCHAFFT haben und mich nicht so darauf fokussiert, was wir noch vor uns haben. Normalerweise rate ich den Leuten in meinem Umfeld immer, nach vorne zu blicken, hier war es andersherum. Die verlorene Zeit wollten wir durch ein etwas schnelleres Schritttempo wieder aufholen. Es hatte außerdem etwas motivierendes, mal wieder ein paar Leute zu überholen. Wir freuten uns, denn wir waren wieder im Tritt. Wir waren wieder im Flow. Haben nach dem Verlust von Mischa wieder neuen Mut gefasst. Haben uns die etwas zu lange Pause wieder aus den Beinen & Füßen gelaufen. Jetzt konnte uns nichts mehr aufhalten - wir waren uns sicher: Jetzt bringen wir das Ding nach Hause. Bald würden wir Bergfest feiern können. Dann hätten wir "schon" die Hälfte der Strecke hinter uns. Wir würden zu dritt in den Sonnenaufgang marschieren. Franks Aufschrei ließ das Bild vom Sonnenaufgang, dass ich gerade im Kopf hatte in 1000 Teile zersplittern. Wir müssen so bei Kilometer 47 gewesen sein. Frank ging zu dem Zeitpunkt ein Stück hinter mir und Ili. Synchron drehten wir uns zu unserem Begleiter um. Die auf den hinteren Oberschenkel gepresste Hand und das schmerzverzerrte Gesicht von Frank erstickte meine kurze Hoffnung, der Schmerzschrei wäre von einem anderen Teilnehmer gekommen.

 

Zwar hatten wir das Glück, mit Olli einen Physiotherapeuten mit im Team zu haben. Aber in diesem Fall waren Olli´s sonst geradezu "magischen" Hände leider machtlos. Die Enttäuschung stand Frank ins Gesicht geschrieben. Es war klar: Für Frank war nach 47 Kilometern Schluss! Während sich das Ausscheiden von Mischa im zweiten Abschnitt langsam andeutete, kam Franks Ausscheiden für uns wie aus dem Nichts (oder der Dunkelheit). Ich kann selbst jetzt, Wochen nach dem Marsch nicht sagen, welche Variante einfacher zu ertragen ist. Beide waren auf ihre Art schlimm. Beide sorgten für Schmerzen, gegen die wir keine Medizin im Rucksack hatten. Aber machen wir uns nichts vor: Uns war im Vorfeld klar, dass so etwas passieren kann. Aber der Doppelschlag saß definitiv erstmal richtig. Nun standen wir dort in der Dunkelheit, verzweifelt nach Worten suchend, die Frank und auch uns irgendwie aufbauen würden. Aber wir fanden diese Worte einfach nicht. Zu tief saß der Schock. Sicher war das einer DER emotionalsten Tiefpunkte des Marsches....

Nun stand Frank da. Mitten in Hamburg. Die Enttäuschung stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben. Ich ziehe an dieser Stelle nochmals meinen imaginären Hut vor Frank. Am Vortag noch laborierte er an einer Grippe. Im ging es echt mies. Und wo andere gesagt hätten, ich kurier mich lieber noch einmal 1-2 Tage aus, ist Frank ein Typ, der seinen Rucksack packt und wie selbstverständlich zu einem 100-km-Marsch antritt, als wenn nichts gewesen wäre.

 

"Lieber Frank, ich mochte sowohl deine ehrliche und direkte Art ("Du hast die falschen Riegel im Gepäck, das geht ja gar nicht!" ;-D) als auch deinen herrlich trockenen Humor. Während der 47 Kilometer, die ich zusammen mit dir gehen durfte, hab ich dich nicht EINMAL jammern gehört. Und deine ruhige, ausgeglichene Art hat mich glauben lassen, dass du es auf jeden Fall schaffen wirst. Du warst für mich schon ein Gewinner, bevor es eigentlich losging. Manche Menschen strahlen so etwas einfach aus. Und du bist so einer. Ein Macher – kein Schnacker! Obwohl wir uns erst wenige Minuten vor dem Start kennengelernt haben, hab ich dich schnell ins Herz geschlossen. Daher war es mir eine Ehre, mit dir diese 47 Kilometer gemeinsam zu gehen. Sei stolz auf das Erreichte! Und ich weiß genau, ohne diese Verletzung, die dich wie ein Blitzschlag ereilte hättest du das Ding durchgezogen bis zum bitteren Ende. Zu gerne wäre ich zusammen mit dir in den Sonnenaufgang marschiert! Ich hoffe, das Schicksal richtet es ein, dass wir uns noch einmal wiedersehen. Vielleicht trinken wir dann mal ein Bierchen (oder alternativ Fritz Kola) bis zum Sonnenaufgang ;-) Mich würde es freuen, wenn wir uns noch einmal wiedersehen könnten!“

 

So verabschiedeten wir uns schweren Herzens nun auch von Frank und hofften, dass er schnellstmöglich ein Taxi finden wird, welches ihn zurück zum Start zu seinem Auto bringen würde. Immer noch war Frank die Fassungslosigkeit über dieses plötzliche und für uns alle völlig unerwartete Ausscheiden deutlich anzusehen. Wir mussten ein weiteres Team-Mitglied zurücklassen und das noch bevor wir die Hälfte der Distanz erreicht hatten. Dies führte uns deutlich vor Augen, dass der Mega-Marsch alles andere als ein Spaziergang war. Und es zeigte uns auch, dass es JEDEN treffen konnte und zwar von einem Moment auf den anderen konnte alles vorbei sein. Ich glaube dieser Moment war der erste und einzige, in dem ich wirklich Angst um mein Projekt „Move For Kids“ hatte. Wie enttäuschend wäre es gewesen, nicht das bestmögliche aus diesem Projekt für die Kids rauszuholen. Ich glaube nicht, dass Frank oder Mischa es weniger gewollt hätten als ich. Ihr Wille war mindestens genauso groß. Aber was nützt der größte Wille, wenn der Körper auf einmal die Segel streicht? Und zwar so, dass ein Weitermarschieren ausgeschlossen ist. Diese und ähnliche Gedanken bestimmten die nächsten Kilometer. Olli und ich waren in dieser Phase beide sehr nachdenklich. Das Ausscheiden unserer beiden Mitstreiter nahm uns natürlich ordentlich mit und drückte auch die Stimmung noch etwas weiter. Aber wir überstanden diese miese Phase und gaben uns dann wieder kämperisch. Wir wollten das Ding jetzt auch für Mischa und Frank rocken. Wir hatten das Gefühl, es den beiden irgendwie „schuldig“ zu sein. Wir schafften es tatsächlich, den Schock über das Ausscheiden unser beiden Weggefährten in positive Energie umzuwandeln. Schnell wandelte sich das kleine Stimmungstief in eine „Jetzt-Erst-Recht-Stimmung“ und sorgte für neue Motivation bei uns.

 

Was die besser werdende Stimmung noch ein bisschen besser machte, waren die nächtlichen Eindrücke Hamburgs. Zu diesem Zeitpunkt entstand übrigens auch das Foto, das ihr über diesem Blogartikel findet. Es war ca. 4 Uhr morgens, als wir die 50-KM-Marke erreichten. Wir waren nun also 12 Stunden unterwegs und hatten die halbe Strecke hinter uns. Und da wurde mir bewusst, dass das eine ganz enge Kiste werden wird, die 100 Kilometer tatsächlich in 24 Stunden zu schaffen. Ich muss zugeben, dass ich diesen Faktor sehr unterschätzt habe. Ich dachte immer, dass die Zeit das kleinste Problem wäre. Im weiteren Verlauf des Marsches sollte ich noch eines Besseren belehrt werden – aber dazu später mehr...

 

Während ich mich also mit Hochrechnungen beschäftigte, wie gut die Chancen standen, dass wir die 100 Kilometer tatsächlich in der Zeit schafften, rissen mich Olli´s Worte direkt hinter mir aus meinen Gedanken und holten mich wieder ins Hier und Jetzt zurück. „Halte einmal kurz an Dennis! Stopp einmal kurz bitte. Ich muss mir einmal meine Füße angucken, ich glaube, die sind voller Blasen.“ Wir standen auf einer Brücke mit einer absolut geilen Aussicht. Jedoch konnte ich diese in diesem Moment überhaupt nicht genießen. Denn meine volle Aufmerksamkeit und Sorge galt meinem Freund Olli. Der Olli, der mir das Ganze hier „eingebrockt“ hat und das meine ich absolut im positiven Sinne. Der Olli, der bei diesem Marsch der letzte noch verbliebene Wegbegleiter für mich war. Der Olli, der jetzt auf dem Fußweg einer Hamburger Brücke saß und vergeblich versuchte, seine Socken auszuziehen. Das gestaltete sich schwierig, denn das Wundwasser der Blasen ist eine ungewollte Verbindung mit den Sportsocken eingegangen. So konnte Olli den Schaden nicht genau in Augenschein nehmen (was vermutlich sogar besser war zu diesem Zeitpunkt). Ich machte mir ernsthaft Sorgen um Olli. Hatten wir doch gerade erst die Hälfte der Strecke geschafft und seine Füße sahen echt übel aus. Die Schmerzen sollten ihn nun im wahrsten des Wortes auf Schritt und Tritt begleiten. Wir hatten noch ca. 10 km bis zur nächsten Versorgungsstation (später stellte sich heraus, dass diese erst bei Kilometer 63 eingerichtete war). Olli trotzte dem Schmerz und biss sich durch. Aufgeben war für ihn keine Option! Aber in seinem Gesicht konnte man bei jedem Schritt den Schmerz ablesen. Wir fokussierten uns darauf, die nächste Versorgungsstation zu erreichen. Dort angekommen, würden wir 3 Dinge wissen.: Zum ersten würden wir wissen, wie wir in der Zeit liegen. Wir würden wissen, wie schlimm es tatsächlich um Olli´s Füße bestellt ist. Und wir würden erfahren, was für ein geiles Gefühl es ist, in den Sonnenaufgang zu wandern.

 

Olli und ich redeten mittlerweile deutlich weniger als noch zum Anfang des Marsches. Der Grund war aber nicht, dass wir uns nach der Hälfte der Strecke nicht mehr riechen konnten. Vielmehr war es so, dass wir nun nicht mehr zu viert waren, die Erschöpfung ihren Teil dazu beitrug und Olli´s Schmerzen an den Füßen verständlicherweise für etwas Unmut bei den beiden letzten „Mohikanern“ herrschte, die das Projekt bis zum bitteren Ende durchhalten wollten. Da kam der Sonnenaufgang, den wir uns alle vier als einen DER Momente beim Marsch ausmalten, wirklich gerade zur rechten Zeit. Wir hatten die Nacht überstanden. Die Nacht, die uns zwei unserer Mitstreiter „entrissen“ hat. Eine düstere Nacht in zweierlei Hinsicht also. Dennoch sorgte der Sonnenaufgang bei mir für eine kleine Gefühlsachterbahn. Dazu muss man wissen, ich fotografiere sehr gern und liebe Sonnenauf- und untergänge sehr. Ein Naturschauspiel das an jedem Morgen und an jedem Abend anders ausschaut. Nur eine einzige Wolke, die sich ins Bild schiebt, kann den Anblick komplett verändern. Ich liebe das! Und ich sage mir immer wieder, die Natur malt immer noch die schönsten Bilder. Unter diese Freude mischte sich allerdings auch ein wenig Wehmut. Gerne hätte ich diesen Moment nicht nur mit meinem lieben Freund Olli, sondern auch mit Mischa und Frank gemeinsam erlebt. Das machte mich kurz etwas traurig. Im nächsten Moment aber konnte ich schon wieder lächeln, weil Olli und ich unser Versprechen eingehalten haben, dass wir es für die Beiden mindestens bis zum Sonnanaufgang durchhalten werden ...

 

Zwei weitere Dinge hoben unsere Stimmung ein wenig an. Zum einen war die 3. Versorgungsstation nur noch wenige hundert Meter entfernt. Zum anderen sollte das, was uns am Ende der zweiten Etappe sehr demotivierte – nämlich, dass die Versorgungsstation nicht bei Kilometer 40, sondern erst ganze drei Kilometer später auftauchte, nun zugute kommen. Denn schließlich hatten wir mit dem Erreichen der 3. Versorgungsstation in den frühen Morgenstunden des 9. April bereits 63 Kilometer der Strecke zurückgelegt. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Ab hier sollte der Marsch erst richtig beginnen. Nicht, dass es ein Spaziergang bis hierhin war. Ganz im Gegenteil, ich ziehe meinen Hut vor allen Teilnehmern, die sooo weit gekommen sind! Während sich der Körper mehr oder weniger mit der Situation „angefreundet“ hat, ging es nun darum, sich der mentalen Herausforderung des Marsches zu stellen...

 

Wie das funktioniert hat, erfahrt ihr im nächsten Blog-Artikel „Mega-Marsch Mental“. Ich würde mich freuen, wenn ihr auch bei der 4. Etappe mit dabei seid. Denn wie gesagt, jetzt fing der Marsch erst richtig an...

 

Liebe Grüße

Euer Dennis

 




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Kommentare: 6
  • #1

    jan commentz (Dienstag, 20 Juni 2017 10:05)

    dennis, danke für den neuen blog. wieder die strapazen in erinnerung gerufen ... ✌️

    das mit deinem vater tut mir sehr leid und ich hoffe, dass es ihm besser geht.

    vg und ich bin gespannt auf die weiteren etappen, die wir nicht mehr
    gemacht haben.

    jan

  • #2

    Matthias L. (Dienstag, 20 Juni 2017 18:00)

    Hallo Dennis,

    in den letzten Kommentaren ist ja schon von einigen Spendern die Frage gestellt worden, wie denn nun die Spenden verteilt wurden. Täte mich auch interessieren. Gab es denn überhaupt eine "offizielle" Übergabe? Alles andere würde ja auch werbewirksam kundgetan...
    Viele Grüße aus Barsbüttel

  • #3

    Oliver Zunk (Mittwoch, 21 Juni 2017 00:17)

    Moin Leute, ich möchte mich(als direkt Beteiligter) bei meinem Freund Dennis bedanken, Du hast den Marsch zurückgeholt und es fühlt sich sensationell an, diese Erlebnisse jetzt noch einmal erleben zu dürfen!
    Ich bin gespannt auf den 4. Abschnitt ! Ich sag nur AUA...
    PS: ich möchte alle liebe Leser dieses Bloggs dazu animieren, so ein Erlebnis selbst zu spüren und zu durchleben! Man wächst über seine physische und mentale Einstellung kilometerweit hinaus!

  • #4

    Renate von Hülsen (Sonntag, 25 Juni 2017 19:36)

    Hallo Dennis!
    Super wie Du schreibst! Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht.
    Ich bin in der Vorbereitung auf Köln und hatte am Freitag meinen ersten 50ger...
    Tolle Idee auch mit dem Spenden Projekt!
    Liebe Grüße Renate

  • #5

    Henry K (Sonntag, 25 Juni 2017 21:07)

    Hallo Denis,
    schöne Berichte. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, da ich auch teilgenommen habe. Du hast mich übrigens, durch den Bericht in der Hallo Rendsburg vom 9. März, auf die Idee gebracht teil zu nehmen. Aber so viel erlebt wie du habe ich nicht.
    Viele Grüsse aus Rendsburg
    Henry

  • #6

    Dagmar aus Köln (Sonntag, 02 Juli 2017 14:31)

    Hallo Dennis
    und ich dachte schon - "Dich" verpasst zu haben - das mit Deinem Vater tut mir sehr leid - und kann es sehr gut verstehen - dass die Familie einfach vor geht !
    Du schreibst einfach super - Meine Freundin und ich starten am Samstag beim Rhein-Ahr-Marsch- allerdings die 50 km !! Leider habe ich mir beim Training eine Überlastung am linken Fuß zugezogen. (keinen Bruch ) heute nach 4 Wochen Trainingspause wieder klein angefangen- Und ich starte am Samstag - egal wie -
    freu mich auf Deinen nächsten Bericht - dann kann ich bestimmt auch was berichten - lieben Gruß aus Kölle