Jetzt beginnt der Marsch erst richtig: Mega Marsch Mental

 

Ich bin wirklich beeindruckt! Nach 63 Kilometern bist du immer noch dabei. Ich freue mich, dass du so tapfer bis hierhin durchgehalten hast. Die letzte "Etappe" mit über 3.200 Wörtern war schon ein ganz schöner Brocken, auf den du zudem auch noch recht lange warten musstest. Daher danke ich dir, dass du trotz dieser vielen Unwegsamkeiten immer noch an meiner Seite bist. In gewisser Weise verbindet uns eben dieses Durchhaltevermögen miteinander. Aber nun genug der einleitenden Worte. Schließlich bist du ja hier, um zu erfahren, wie es mir und meinem Weggefährten Olli auf dem vorletzten Abschnitt des Mega-Marsches in Hamburg ergangen ist. Was würde uns wohl an der dritten Servicestation erwarten? Ofenfrische Croissants? Ein leckerer Latte Macchiato? Köstliches Rührei mit Speck? Oder vielleicht sogar ein frisch gepresster O-Saft mit Sekt und zur Krönung ein wohltuendes Fußbad? Natürlich nicht! Schließlich sind wir hier beim Mega-Marsch und nicht bei "Wünsch dir was!". Man wird ja wohl nochmal träumen dürfen. Aber viel wichtiger als die Frage, was das "Frühstücks-Buffet" wohl so zu bieten hat, war die Frage, wie es um Olli´ s geschundene Füße bestellt ist und ob diese noch in der Lage sind, ihn weitere 37 Kilometer zu tragen. Bist du bereit? Sind deine Schnürsenkel festgezogen und deine Wasserflaschen aufgefüllt? Okay, dann kann es ja - im wahrsten Sinne des Wortes - endlich losgehen.

 

Wir befanden uns also auf den letzten paar hundert Metern der 3. Etappe, als wir DEN Moment erlebten, den wir so gern zu viert erlebt und genossen hätten: Den Sonnenaufgang! Das Gefühl, das ich in diesem Moment empfand, ist nur schwer in Worte zu fassen. Aber wenn ihr schon einmal hier seid, dann möchte ich es wenigstens versuchen. Also, einerseits war ich natürlich unheimlich stolz. Stolz darauf, es tatsächlich bis hierhin geschafft zu haben. Fast 63 Kilometer Strecke auf meinen eigenen Füßen zurückgelegt. Verglichen mit Olli´ s Füßen ging es meinen ja geradezu blendend. Aber ich glaube das stärkste Gefühl, das ich in diesem Moment empfand war Dankbarkeit. Allen voran war ich dankbar dafür, dass mein Körper bis hierhin einen wirklich guten Job gemacht hat. Ehrlich gesagt hatte ich im Vorfeld mit mehr körperlichen Problemen gerechnet. Aber ich nahm diesen Umstand natürlich sehr gerne an.

 

Dankbar war ich auch dafür, dass wir die Nacht endlich hinter uns hatten. Auch wenn ich mir diese Herausforderung im Vorfeld etwas schlimmer vorgestellt habe. Hier trug aber sicher auch das tolle Wetter seinen Teil bei. Wir hatten eine sternklare Nacht, die allerdings auch etwas frisch war. Dass es trocken blieb, hat uns den "Nightwalk" sicher um einiges erleichtert. Erleichtert war ich auch, dass ich meine Stirnleuchte im Rucksack lassen konnte. Denn es gab genug andere Teilnehmer die voller Stolz ihre Stirnlampen, Reflektoren, Lauflichter und "Lichtanlagen" präsentierten. Bei einigen hätte man vermuten können, dass sie ein Fernduell mit der Weihnachtsbeleuchtung ihres Tannenbaumes führen. Mir sollte es recht sein, so konnte ich mir meine "Grubenleuchte" und das damit verbunden Jucken auf dem Kopf ersparen. Dankbar war ich auch, dass die wandernden Weihnachtsbäume nicht in der Nähe waren, als ich ein paar nächtliche Impressionen rund um die Elbbrücken mit meinem Handy fotografieren wollte. Einige von ihnen hätten die Nacht sicher zum Tag gemacht. Dankbar war ich außerdem dafür, dass mir von meinen insgesamt 3 Weggefährten wenigstens noch einer geblieben ist. Auch wenn Olli alles andere als rund lief, biss er sich mehr schlecht als recht durch die Nacht bis zum besagten Sonnenaufgang. Bei Tageslicht wird sicher alles gleich wieder um einiges besser aussehen.......oder?

 

Unter die viele Dankbarkeit mischte sich dann aber natürlich auch noch etwas Wehmut. Ich empfand es nach wie vor als sehr schade, dass wir unsere beiden Wegbegleiter Frank und Mischa bereits zu einem soooooo frühen Zeitpunkt verloren hatten. So sehr der Verlust auch schmerzte - ich musste nach vorne blicken. Musste mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, warum und wofür ich hier war. Ich musste es schaffen - alles andere kam für mich nicht in Frage. Zu viel Herzblut hatte ich in "Move For Kids" investiert. Die Wochen vor dem Marsch gab es für mich fast nur dieses eine Thema. Ich war "infiziert" und überzeugt von dieser Idee. Die Idee einer modernen Spendenplattform. Die Idee, dort zu helfen, wo es dringend gebraucht wird. Die Idee, Menschen für diese tolle Sache zu begeistern. Mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen. Mit aller Begeisterungsfähigkeit, die ich abrufen konnte. Mit vollem Ehrgeiz und mit meinem starken Willen, der im weiteren Verlauf des Marsches noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Es gab keinen Plan B für mich!

 

Aber zurück zum Marsch: Nachdem wir uns den romantischen Bildern des Sonnenaufgangs hingegeben haben und unsere langsam wach werdenden virtuellen Begleiter über die sozialen Netzwerke mit epischem Bildmaterial versorgt hatten, entdeckten wir den ersten Hinweis auf die lang ersehnte Service-Station Nummer 3. Pfeile auf dem Boden wiesen uns den Weg zur Station. Als sich die Sonne ihren Weg durch den Morgendunst bahnte, gab sie uns schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf die Wärme, die uns auf den letzten beiden Etappen erwarten würde. Dass das tolle Wetter nicht nur seine Vorteile hat, sollten wir im weiteren Verlauf noch mehr zu spüren bekommen, als uns lieb sein sollte.

 

Verzeiht mir den etwas langen Einstieg - andererseits spiegelt dieser ganz gut wieder, WIE lang uns die letzten 2-3 Kilometer dieser Etappe vorkamen. Doch dann sahen wir sie endlich, die Servicestation. Dort hatten Olli und ich einen wichtigen "Fußpflegetermin". Das oben beschriebene 5-Sterne-Frühstücks-Buffet dazu blieb aber leider aus. Bis auf die Instant-Heißgetränke und das fehlende Bier bot die Verpflegung das gleiche Bild wie auch an den ersten beiden Haltepunkten. Leider! Mag sein, dass man nach 63 Kilometern und Schlafentzug ein bisschen kleinlich wird, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Verpflegung von Station zu Station etwas mehr Abwechslung geboten hätte. Ein kleines "Special" an jeder Station hätte regelrechte Motivationsschübe auslösen können. Zum einen blieb dadurch der "Aha-Effekt" beim Erreichen der Station aus und zum anderen förderte das nicht gerade die Vorfreude auf die noch bevorstehende Station. Hier wurde in meinen Augen durch die Veranstalter eine große Chance vertan, die Teilnehmer noch zusätzlich zu motivieren. Definitiv ist hier noch Luft nach oben.

 

Luft tat auch unseren Füßen gut. Nach unserer "Pedeküre für Arme", die sich auf die Grundversorgung unserer Füße beschränkte, gönnten wir uns ein Instant-Heißgetränk. Erst jetzt merkten wir, dass uns doch ein wenig kalt war. Dies war sicherlich auch dem Schlafentzug geschuldet. Das heiße Getränk tat gute Dienste und wärmte uns ein wenig auf, den Rest würde die Sonne übernehmen. Die wartete nur darauf, uns im wahrsten Sinne des Wortes so richtig "einzuheizen".

 

Während Olli und ich da so in der Gaststube saßen, ließen wir unseren Blick schweifen. Der Begriff "Versorgungsstation" traf besser zu, als es den meisten Teilnehmern lieb war. Erschöpfte Gesichter wohin man auch sah. Übel zugerichtete Füße und Niedergeschlagenheit. Versteht mich nicht falsch - ich möchte euch nicht abschrecken, indem ich das schreibe. Aber ich schreibe hier schonungslos wie es war. Es ist ein ehrlicher Blog - auch wenn das manchmal ein wenig wehtut. Und trotz dieser Szene, die ich euch hier gerade beschreibe, würde ich jedem von euch empfehlen, sich diesem Abenteuer auf jeden Fall einmal zu stellen. Denn was ihr am Ende für all die Strapazen erhaltet, ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Aber dazu ganz am Ende mehr! Auch an der dritten Versorgungsstation gab es wieder eine kräftige Auslese. Was ich allerdings erstaunlich fand war, dass es in vielen Fällen gar nicht einmal körperliche Defizite waren, die die Teilnehmer zur Aufgabe "zwangen". Viele von Ihnen machten den Fehler, erste Hochrechnungen anzustellen,ob sie die 100 Kilometer überhaupt noch innerhalb der 24 Stunden schaffen würden. Erstaunlich viele kam zu dem Ergebnis, dass sie es "so der so nicht mehr schaffen würden". Dazu sage ich nur: "Wer nicht will, findet Gründe...wer will, findet Wege!"

 

Ein bisschen spiegelte die Szene in der Gaststube auch ein weit verbreitetes Phänomen in unserer Gesellschaft wider: Viele Menschen geben in meinen Augen viel zu schnell bzw. viel zu früh auf. Schon beim kleinsten Widerstand der sich andeutet, verlieren viele den Glauben daran, ihr Ziel zu erreichen. Manch einer verliert sogar den Glauben an seine Vision, für die er Wochen zuvor noch soooo gebrannt hat. Wie schade eigentlich - wer weiß, was diese Menschen erschaffen, bewegt oder verändert hätten, wenn sie nur noch einen Augenblick länger durchgehalten hätten...Wie ein guter Freund von mir immer zu sagen pflegt: "Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas wunderbares bauen!"

 

Aber zurück zum Marsch, bevor das hier noch ein Sammelwerk für schlaue Zitate wird. Schließlich sind wir hier beim Mega-Marsch und nicht beim Literaturkreis. Nachdem meine Füße ihre Ration Vaseline bekommen haben und noch ein wenig die Freiheit außerhalb der Schuhe genossen, trieb mich plötzlich der Ordnungssinn. Denn diesen schaltet man während des Marsches nahezu aus. Es soll ja schnell gehen, wenn man etwas aus dem Marsch-Rucksack holt und ebenso schnell, wenn man es wieder zurückpackt. Ich habe es sogar so gemacht, dass ich dabei noch nicht einmal stehenblieb. Meistens schnallte ich den Rucksack während des Wanderns von hinten nach vorn und hatte so wunderbaren Zugriff auf alles. Von der Ordnung, die zum Start des Marsches in meinem Rucksack herrschte, war nach 3 Etappen nichts aber auch gar nicht mehr zu sehen. Das wollte ich im wahrsten Sinne des Wortes wieder in Ordnung bringen. Also erstmal ALLES raus aus dem Rucksack! Meine Hoffnung, bei der Aufräumaktion auf überflüssigen Ballast zu stoßen, den ich aussortieren konnte, wurde allerdings i Keim erstickt. Das Einzige was ich finden konnte, waren die leeren Verpackungsfolien von 2-3 Müsliriegeln, die ich persönlich übrigens sehr lecker fand (sorry Frank, ich weiß, deine schmecken 1.000 Mal besser). Das brachte meinen Rucksack gewichtsmäßig aber nicht wirklich nach vorn. Also sortierte ich alles wieder ein. Denn so übertrieben ich die zeitlichen Hochrechnungen der "Aussteiger" auch fand, wusste ich, dass die Pause nicht länger als nötig sein sollte. Wenn uns die ersten beiden Versorgungsstationen eines gezeigt haben, dann die Erkenntnis, dass es 1-2 Kilometer dauert, bis man wieder richtig in die Gänge kommt. Schmerzhafte 1-2 Kilometer, bis wieder alles einigermaßen rund lief, bis wir wieder im "Flow" waren. 

 

Den um drei Müslifolien erleichterten Rucksack wieder auf den Rücken geschnallt und die mit Vaseline einbalsamierten Füße wieder in die Schuhe gesteckt, machten wir uns mit neuem Mut auf den Weg. Als wir die Gaststube verließen tauchten wir in das orange Licht der aufgehenden Sonne. Das war ein toller Moment und wir waren nun wieder voller Tatendrang, die 4. Etappe zu rocken. Auch bei Olli war der Wille nun stärker als der Schmerz an den Füßen. Er war bereit dagegen anzugehen. War bereit den Füßen zu zeigen, wer hier Herr im Hause ist. Tatsächlich trat nach 63 Kilometern das ein, was ich im Vorfeld immer wieder gesagt habe. "Ab 60 Kilometer läuft das Ding nur noch im Kopf ab!" Ich sollte Recht behalten. Der Körper hat sich mittlerweile mit den Schmerzen und Strapazen in gewisser Weise arrangiert und würde sich erst ein paar Tage später ausgiebig dafür auf seine ganz besondere Art "bedanken". Entscheidend für die letzten beiden Etappen war, wie der Kopf und der Geist funktionierten. Wie sehr war man in der Lage den Schmerz abzuschalten oder zumindest zu unterdrücken? Aber was noch viel, viel wichtiger war, war die Frage nach dem "Warum"! Diese sollte man sich nicht nur im Vorfeld stellen, sondern auch tatsächlich vorher beantworten - und zwar ganz offen und ehrlich!

 

Mein "Warum" kennt ihr, denn sonst würdet ihr das hier gerade nicht lesen. "Move For Kids" sollte die Frage nach meinem "Warum" bereits im Vorfeld nachhaltig beantworten. Es sollte meine Motivation sein, durchzuhalten. Es sollte mich in die Pflicht nehmen, aber mir gleichzeitig auch Mut machen und meinen Willen stärken, wenn ich es brauchte. Was viele von euch jedoch nicht wissen, ist, dass es noch ein weiteres, viel stärkeres "Warum" gab, das mich antrieb. Jetzt, nach fast 65 Kilometer, die wir nun schon zusammen hinter uns gebracht haben, möchte ich es euch anvertrauen...

 

Ungefähr drei Wochen vorm Start des Mega-Marsches erlitt mein Vater einen Herzinfarkt. Da sowohl meine Mutter als auch mein Vater gut und schnell reagiert haben, konnte ihm schnell geholfen werden. Ihm wurden zwei Stents gesetzt und er kam relativ schnell wieder aus dem Krankenhaus heraus. Nur zwei Wochen später, also gerade mal eine Woche vor dem Marsch, bekam ich erneut einen Anruf meiner Mutter (dazu muss man wissen, dass meine Mutter mich NIE auf meinem Handy anrief. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass mein Herz bis sonstwo schlug, als ich "MAMA" auf dem Display aufblinken sah). Sie sagte mir,  dass mein Vater mit Verdacht auf einen weiteren Herzinfarkt, erneut ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Der Verdacht auf einen weiteren Infarkt bestätigte sich allerdings nicht. Was im ersten Moment wie eine gute Nachricht klang, sollte sich ins Gegenteil verkehren. Es wurde eine schwere Entzündung an der Bauchspeicheldrüse festgestellt und die Ärzte sprachen von einem sehr seltenen Krankheitsbild.

 

Als ich am 8. April 2017 um 17 Uhr meinen ersten von insgesamt über 130.000 Schritten machte, lag mein Vater mit sehr starken Schmerzen, hohem Fieber, einem Bauch der sich immer weiter aufblähte und totaler Unsicherheit, was mit ihm los war auf der Intensivstation der Lübecker Uniklinik. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar: Diesen Marsch lief ich schon längst nicht mehr nur für die Kids. Ich lief ihn nun auch für meinen Papa. Daher wusste ich vom ersten Schritt an, dass aufgeben für mich keine Option war! Ich musste es schaffen, denn mein Papa und ich hatten im Krankenhaus einen Deal abgeschlossen! Aber darauf komme ich im "Abspann" nach der 5. Etappe noch einmal etwas ausführlicher zu sprechen. Diese beiden Dinge trieben mich also die ganze Zeit während des Marsches an und ließen mich nicht EINEN Moment daran zweifeln, dass ich es schaffen würde! Ein gutes und sicheres Gefühl umgab mich während des gesamten Marsches! So viel zur beeindruckenden Kraft eines starken "Warum's".

 

Aber zurück zur Strecke: Nach 2-3 Kilometern merkte ich, dass es doch noch etwas kälter war, als ich zunächst angenommen hatte. So beschloss ich, mir doch noch einmal Mischa´´ s Handschuhe anzuziehen, weil ich echt eisige Hände hatte. Also, Rucksack nach vorne umgeschnallt und schnell die Handschuhe rausgeholt. So war zumindest der Plan...... Nur dazu musste ich sie erst einmal finden. Wer kennt das nicht: Kaum ist aufgeräumt, findet man gar nichts mehr! Nachdem ich alle Fächer des Rucksackes durchgesehen hatte, tat ich es ein zweites Mal. Dass nach der Durchsuchungsaktion nichts mehr von der wiederhergestellten Ordnung zu sehen war, brauche ich an dieser Stelle sicher nicht extra erwähnen, oder? Aber das war in diesem Moment eher zweitrangig für mich. Viel schlimmer war die Erkenntnis, die sich langsam aber sicher bei mir breitmachte: Die Handschuhe waren weg! Ich muss sie bei meiner Aufräumaktion in der Servicestation auf dem Tisch liegengelassen haben. Ich ärgerte mich über meine Schusseligkeit. Dass meine Hände nun weiter frieren mussten, störte mich weniger. Aber Mischas Handschuhe, die er mir bei seinem Abschied vertrauensvoll in die Hände gab, zu verlieren, war mir extrem unangenehm. Kurz spielte ich tatsächlich mit dem Gedanken, zur Service-Station zurückzukehren, um dort nach den Handschuhen zu suchen. Allerdings lag diese bereits rund 3 Kilometer hinter uns. Das würde sechs Kilometer extra bedeuten! Zudem bestand ja auch die Möglichkeit, dass die Handschuhe nicht mehr dort lagen. Sechs extra Kilometer wären so schon heftig gewesen, diese dann aber auch noch völlig umsonst gegangen zu sein, wäre extrem demotivierend gewesen. Demotivation war das letzte, was man nach 66 Kilometern brauchen konnte. Also entschied ich mich dagegen! Was dabei besonders schmerzte war, dass ich mir vorgenommen habe, Mischa´ s Handschuhe beim Zieleinlauf zu tragen, um zumindest ein bisschen Mischa mit ins Ziel zu nehmen. Ein kleiner moralischer Dämpfer. Wenn ich während des Marsches eines gelernt habe, dann war es, Rückschläge ganz schnell wieder wegzustecken. Denn das war nötig, um sich wieder auf das Wesentliche fokussieren zu können. In dieser Extrem-Situation blieb einem auch gar nichts anderes übrig, sofern man sie denn überstehen wollte. Dies war nur eines der Dinge, die ich für mich aus dem Marsch mitnehmen konnte. Ich praktiziere den Umgang mit Rückschlägen bis heute so, wie ich es während des Marsches tat. Das Wort „Problem“ habe ich seitdem durch das Wort „Herausforderung“ ersetzt. Diese Herausforderungen (Probleme) sind Aufgaben, die uns das Leben stellt. Und sind es nicht die Herausforderungen, die das Leben auch in gewisser Weise spannend und abwechslungsreich machen? Was lernen wir denn schon für´s Leben, wenn alles glatt läuft? Wie sehr wachsen wir, wenn uns alles in den Schoß fällt? Die eigene Persönlichkeit kann sich doch nur weiterentwickeln, wenn man sich den Herausforderungen stellt und Lösungen findet. Damit wappnet man sich für bevorstehende Aufgaben. Nach diesem kurzem Ausflug in die Gedankenwelt des Dennis D. Lasst uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen...

 

Nachdem uns das erste Drittel der 4. Etappe über sattgrüne Deiche führte, wurde der Untergrund ab dem zweiten Drittel immer steiniger und staubiger. Die Sonne zeigte sich zudem von ihrer besten Seite und gab alles. Ich bin ein Sonnenkind und liebe den Sommer, die Wärme und den strahlend blauen Himmel. Aber ich muss zugeben, dass mir an diesem Tag ein leicht bewölkter Himmel lieber gewesen wäre. Die Hitze machte vielen Teilnehmern – mich eingeschlossen – ordentlich zu schaffen. Mein Wasser war aufgrund der Hitze schneller aufgebraucht als bei den drei Etappen zuvor. Da kam ich jeweils mit einem Liter Wasser aus. Im vierten Abschnitt presste ich nach ca. 2/3 der Strecke den letzten Tropfen Wasser aus meiner Flasche. In den ersten drei Etappen trank ich nicht etwa, weil ich wirklich durstig war, sondern weil ich wusste, dass es vernünftig ist. Ausgerechnet jetzt, wo ich kein Wasser mehr an Bord hatte, verspürte ich extrem großen Durst.

 

Während des Marsches nutzen wir die kleine Zwangspausen an den roten Fußgängerampeln gerne dafür, einmal in die Hocke zu gehen oder uns durchzustrecken, um die monotone Körperhaltung zumindest kurz zu unterbrechen. Dies tat ich auch bei einer dieser Zwangspausen, die wir ca. bei Kilometer 78 an einer Fußgängerampel einlegen mussten. Als ich aus der Hocke wieder hoch kam, ging mein Kreislauf in die Knie. Mir war schwindelig und ich musste mich tatsächlich an der Ampel festhalten, um nicht im nächsten Moment in der Waagerechten zu liegen. Ich musste dringend etwas trinken, aber auch Ollis Reserven waren aufgebraucht. Die zwei Kilometer bis zur letzten Versorgungsstation musste ich irgendwie noch überstehen. Bis dahin würde ich darauf verzichten, mich noch einmal hinzuhocken. Bald hatten wir es geschafft, der letzte Versorgungspunkt war zum greifen nah. Schon bald würden wir die letzte Etappe des Marsches in Angriff nehmen, die uns noch einmal alles abverlangen würde. Der 5. Abschnitt würde noch einiges zu bieten haben.

 

Warum unsere Nerven an der Fährüberfahrt blank lagen, welche wichtige Rolle unsere neuen Weggefährten im letzten Abschnitt spielten und ob Olli und ich trotz einer unerwarteten Auseinandersetzung das Ziel gemeinsam erreichen würden, erfahrt ihr im nächsten Blogartikel „Wettlauf gegen die Zeit“. Bis dahin...legt die Füße ein wenig hoch, erholt euch ein bisschen und sammelt noch einmal alle Kräfte – ihr werdet sie brauchen!

 

Liebe Grüße

Euer Dennis

 

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Dagmar aus Köln (Dienstag, 11 Juli 2017 20:01)

    wow - ich bin gespannt auf den nächsten Blog - Ich wünsche Deinem Vater viel viel Gesundheit-natürlich auch Deiner Mama und Deiner Familie.
    Ich bin ja den Rhein-Ahr-Marsch am 8.07. mit den 50km gewandert. Und stelle gerade fest - dass das OrgaTeam groooooosartig war. Auf die 100km gab es alle 8-10 km ein Verpflegungsstation + WC und Sanitäter! mit halte dich fest : Wasser - Cola - Kaff - Isogetränke // Obst - Tomaten - Gurken - Salzgebäck - Rotweinkuchen beim Winzer - Nudelsuppe bei 50km und Brot- Minestrone bei km 71 - irgendwo gab es wohl auch Eis ( hab ich nit mitbekommen ) schau Dir mal die Seite an - Das ist echt was für Euch 2018 !!
    ich freue mich auf den nächsten Blog - würde gerne nächstes Jahr wieder 50km rocken - allerdings nur - wenn ich bei 50km einsteigen kann - möchte Nachts nicht wandern !
    liebe Grüße aus Köln
    Dagmar